Das Sandmännchen

Es war einmal EINE gewaltige Lok. Diese Lok war sehr sehr stark und daher auch sehr sehr schwer. Doch wenn die Schienen sehr sehr glatt waren, musste selbst diese gewaltige Lok beim Anfahren und beim Bremsen Sand unter IHRE unzähligen Räder streuen, damit SIE sich ob IHRER ungeheuren Kraft und IHRER kaum zu bändigenden Masse nicht in die Schienen hineinfraß oder unkontrollierbar auf diesen entlang glitt.
Zu diesem Zwecke hatte die Lok in der Nähe jeder IHRER erhabenen Stirnseiten jeweils zwei kleine Kästen, in denen sich Sand befand. In jedem dieser kleinen Kästen lebte ein klitzekleines Männchen, das den Sand auf die Schienen schaufelte, wenn der stolze Lokführer es befahl. Dies waren die Sandmännchen. Die Sandmännchen mussten hart schuften, denn es bedurfte einer großen und schnell geschaufelten Menge des Sandes, um die gewaltige Lok kraftvoll anfahren zu lassen und sicher zum Stillstand zu bringen. Doch wollten die Sandmännchen niemals etwas anderes machen, als Sand für diese gewaltige Lok zu schaufeln, denn sie liebten SIE heiß und innig und waren erfüllt vom Stolz, für SIE zu arbeiten.
Eines Tages trug es sich zu, dass die gewaltige Lok zuhause bleiben musste, denn SIE sollte gewaschen und auf Hochglanz poliert werden, damit SIE anschließend der Welt ein beeindruckendes Zeugnis IHRER überwältigenden Schönheit geben konnte.
Daher wurde den Sandmännchen aufgetragen, Dienst auf einer anderen Lok zu verrichten. Diese Lok aber war sehr sehr hässlich und sehr sehr böse. Sie war voller Ecken und Kanten und besaß an ihren beiden Enden jeweils ein flaches, furchteinflößendes Gesicht. Aber noch schlimmer als ihre abgrundtiefe Hässlichkeit war ihre heimtückische Absicht, die gewaltige Lok zu vernichten.
So versuchte sie, wo sie nur konnte, die gewaltige Lok aus IHREM angestammten Dienst zu verdrängen. Und das, obwohl die gewaltige Lok viele, viele Jahre lang treu, zuverlässig und ohne zu murren IHREN Dienst verrichtet hatte. Doch die böse Lok war viel jünger und schmeichelte sich durch ihre Jugend bei den unwissenden Führern der Eisenbahn ein, so dass diese ihr häufig den Vorzug gaben.

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